Liebe Kirche
Eigentlich bin ich ein Freund von dir und verteidige dich nach «außen», wo ich nur kann. Jedoch machst du es mir schon nicht einfach. Ich höre in meinem Umfeld immer wieder, dass Menschen, die dich regelmäßig besucht haben, auf einmal ihre liebe Mühe mit dir haben. Diese Menschen machen Aussagen über dich, wie zum Beispiel, dass du kein toleranter Ort seist, obwohl dir «Liebe deinen Nächsten» eigentlich wichtig sei. Ich verstehe die kritischen Stimmen, die meinen, dass du kein toleranter Ort seist und sogar etwas scheinheilig, weil dein Reden und Handeln, zum Beispiel mit LGBTQIA+ Community, nicht übereinstimmen. Das Einhalten einer selbstgemachten Dogmatik wird wichtiger erachtet, als der Auftrag einander zu lieben und nicht zu (ver)urteilen.
«Scheinheilig», ein harter Begriff, kommt aber nicht von mir. Doch wenn du einmal ehrlich in den Spiegel schaust, siehst du es doch auch – zumindest ein bisschen? Einige Inhalte, die du vermittelst, werden nicht mehr verstanden, vielleicht auch weil sich die Zeit und die Gesellschaft etwas verändert haben.
Inhalte, die sich widersprechen, scheint es einige zu geben, wie schon im Prolog des Briefes erwähnt. Mir ist auch klar, dass Veränderungen nicht so einfach sind, jedoch wäre doch ein Minimum-Anspruch, nicht von einer gesamten Gesellschaft abgehängt zu werden. Du bist ein kleines Milieu in der Gesellschaft, und bist doch eigentlich viel agiler und schneller als die anderen.
Interessant ist, dass in Gesprächen mit Besucher:innen von dir, einige meinen, dass die Inhalte nicht der Grund sind, für den Besuch bei dir, sondern die anschließenden Gespräche mit anderen Besucher:innen. Auch das Singen, meist am Sonntagmorgen, entspricht ja schon lange nicht mehr einer gesellschaftsfähigen Form für «Anbetung». «Meditation» wäre doch viel wichtiger in unserer Zeit. Meditation und Achtsamkeitsübungen in denen wir Gott entdecken können. Versuche es doch einmal aus, anstatt des enthusiastischen Singens. Ein Versuch wäre es einmal wert. Aber die Frage, welche du dir doch stellen solltest, ist, weshalb dein Programm, welches du extra für alle Besuchenden jede Woche organisierst, gar nicht erwünscht wird, sondern viel mehr das echte lebensnahe Teilen im Kaffeeplausch danach.
Versteh mich bitte nicht falsch, denn ich schreibe dir wohlwollend und als ein besorgter Kirchenbesucher. Du bist mir wichtig, deshalb wollte ich dir einfach einmal ein Feedback geben. Vielleicht melde ich mich wieder mal auf diese Weise bei dir. Nimm es mir nicht übel, ich bin für dich.
Dein lieber Freund